Mit Mistgabel gegen Panzerfäuste

 

725 Jahre Stadt Lobeda – Am Kriegende übergab Bürgermeister Faulstich die Stadt kampflos den Amerikanern – Teil 9

 

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Von Lutz Kästner, Lobeda- Altstadt

Im Lobedaer Stadtschloss befand sich die Schule der NSDAP (Foto: W. Meyer)

 

   Jena (OTZ) Große Angst hatten die Menschen vor den amerikanischen Tieffliegern, „Jabos" genannt. Diese flogen in weniger als 100 Meter Höhe die Straßen entlang und schossen auf alles was sich bewegte. Zur Abwehr dieser Tiefflieger war auf dem alten Turnplatz „Im Bürgergarten", ein Fesselballon stationiert. In seine Fänge ist jedoch nie einer dieser Tiefflieger geraten und konnte so unschädlich gemacht werden. Die Bombenschäden An der Riese und die Schäden an den Wohnhäusern Nr. 2 und 3 im Schützenweg, heute Spitzbergstraße, im Drackendorfer Weg Nr. 9 und Neuer Weg la, heute Unter der Lobdeburg, sowie an der Lobdeburgklause und die zwei dabei tödlich Verunglückten, waren die einzigen direkten Schäden durch Kriegseinwirkungen in Lobeda.

   Die amerikanischen Panzerverbände verließen Anfang Mai 1945, es war an einem herrlichen Frühsommertag, über den Eselsweg nach Göschwitz den Mönchsberg sowie die Sulzaer Höhen und gelangten so in das Saaletal.

Hier wurden in kürzester Zeit von deren Pionieren Brücken über die Saale geschlagen und so rückten sie auch auf Lobeda vor. Um ihren Einmarsch in Lobeda zu verhindern, hatten sich an der Ecke Drackendorfer Weg/ Alte Landstraße,

heute Martin- Niemöller- Straße, „systemtreue Bürger", heute kann man beruhigt „Verrückte" sagen, mit Panzerfäusten postiert, um den Einmarsch der Amerikaner in die Stadt Lobeda zu verhindern.

   Es ist einem mutigen Lobedaer Fleischermeister und Landwirt zu verdanken, der, nur mit der Mistgabel in den Händen bewaffnet, diesem Treiben ein Ende bereitete und so ein sicheres Blutbad für Lobeda verhinderte. Diese Aktion war der amerikanischen Aufklärung nicht unbemerkt geblieben. Aus diesem Grund stoppte ihre Fahrzeugkolonne zunächst am Anfang der damaligen Schlossstraße, heute Nikolaus- Theiner- Straße, am Wohnhaus Nr.1, heute Getränkestützpunkt Roßa. Der Bürgermeister, Herr Richard Faulstich, Tischlermeister, wurde von den Amerikanern aufgefordert, auf dem Kühler ihres Führungsfahrzeuges Platz zu nehmen, hinter ihm zwei Soldaten mit der MPI im Anschlag und so mit durch Lobeda zu fahren. Herr Faulstich, ein aufrechter Lobedaer, kam dieser Aufforderung nach und die Amerikaner fuhren ohne Zwischenfall durch Lobeda. Bei der geringsten Gegenwehr wäre der Bürgermeister ein toter Mann gewesen. Herr Faulstich war sich seiner Sache aber sehr sicher. Wusste er doch, dass kurze Zeit vor dem Eintreffen der Besatzer die in der Führerschule der NSDAP (Stadtschloss) noch anwesenden SS- Offiziere einen Marschbefehl zum Luftschiff erhalten hatten, um dort den Einmarsch der Alliierten zu verhindern. Eventuelle Heckenschützen schloss Herr Faulstich aus, hatten die Menschen doch die Nase von den unsäglichen Kriegsereignissen gestrichen voll. Selbst der Volkssturm ist untätig geblieben.

Die Stadt Lobeda wurde vom Bürgermeister den Amerikanern kampflos übergeben.

 Für die Kinder war der Einmarsch der Amerikaner ein besonderes Ereignis.

Menschen mit schwarzer Hautfarbe, sonst nur aus Kinderbüchern als „Neger" bekannt, konnten in natura bestaunt werden. Süßigkeiten, wie Bonbons und Schokolade oder Südfrüchte, wie Bananen und Apfelsinen, die die Soldaten von den Panzern herunter warfen, waren vielen Kindern noch gar nicht bekannt. Eine der ersten Aktionen der amerikanischen Besatzer war ein Befehl an die Bevölkerung, so auch an die Bürger der Stadt Lobeda, alle in Privatbesitz befindlichen Waffen, Fotoapparate und Schmuck auf dem Schulhof der Schule am Kirchberg, heute Susanne- Bohl- Straße, abzugeben.

   Den Schmuck eigneten sich die anwesenden amerikanischen Soldaten persönlich an. Fast jeder von ihnen hatte den linken und rechten Arm vom Handgelenk bis zur Schulter mit Armbanduhren, den Hals mit Ketten und die Finger mit Ringen dekoriert. Die Waffen, wie Pistolen, Gewehre und andere, sowie die Fotoapparate kamen auf einen Haufen, wurden mit Benzin übergossen und angebrannt. So wurden diese Sachen für die weitere Benutzung unbrauchbar gemacht und vernichtet. Kurz vor Kriegsende kam es in Lobeda noch zu einem traurigen Zwischenfall. Drei auf der Flucht befindliche russische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter oder KZ-Häftlinge, wurden in Lobeda wieder gefangen genommen. Der Kommandant der Führerschule, ein SS- Offizier, hat diese Gefangenen in die Knorrsche Sandgrube, hinter dem Umspannwerk, heute Edwin- ­Morgner- Straße/Theobald- Renner- Straße, geführt.

Hier mussten sie ihre eigenen Gräber ausheben und wurden dann von ihm erschossen. Ihre Grabstätten befinden sich heute auf dem Neuen Friedhof in Lobeda.

 

OTZ Jena 30. Mai 2009

 

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